Wählen im Mittelalter: Zustimmen oder...zustimmen

11.05.2017 Carolin Steimer

In Ermangelung der Bildrechte am Original hier ein Bild unserer Krone aus der Museumspädagogik. Kaum ein Objekt wird stärker mit dem mittelalterlichen Königtum verbunden als die Krone.

Das Jahr 2017 ist ein Superwahljahr: Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen und im Herbst steht auch noch die Bundestagswahl an, die für die nächsten Jahre die Grundlagen für die Regierung unseres Landes bestimmt. Aus diesem Anlass ist es interessant einen Blick in frühere Epochen zu werfen. Wer herrschte im Mittelalter?

Im Mittelalter regierten Könige und Kaiser über ihre Herrschaftsgebiete. Wenn wir heute die Begriffe König und Königtum hören, dann denken wir an mächtige adelige Familien innerhalb derer der Königstitel vom Herrscher an seine Verwandten- meist Kinder oder Geschwister- vererbt wird. Eine solche Vererbbarkeit der Königswürde wird auch als dynastisches Prinzip bezeichnet. Ein bisschen wie bei den Windsors, nur dass die Queen heute repräsentative Aufgaben wahrnimmt und keine wirkliche Macht mehr hat.

Im Mittelalter war das jedoch anders. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wurde der König offiziell gewählt. Für das Spätmittelalter ist der Vorgang anhand von schriftlichen Quellen, wie z. B. der Goldenen Bulle, einem Gesetzbuch aus dem Jahr 1356 recht klar: ein Rat- genannt Collegium- bestehend aus insgesamt sieben Fürsten, aus dem geistlichen und weltlichen Bereich, wählte den König. Stimmberechtigt waren die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, der rheinische Pfalzgraf, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen. Ab dem Jahr 1298 wurden die wählenden Fürsten auch als Kurfürsten bezeichnet, wobei sich der Begriff vom alten Wort kuren/Kur ableitet und wählen/Wahl bedeutet.

Für das Früh- und Hochmittelalter ist die Beurteilung aufgrund der Quellenlage schwieriger. Bei den Karolingern, also dem Herrschergeschlecht Karls des Großen zeichnet sich deutlich ein dynastisches Prinzip ab. Karl vererbte sein Reich an seinen Sohn Ludwig den Frommen, der wiederum das Reich unter seinen Söhnen aufteilte. Für die Fachleute sei hier das Stichwort „karolingische Reichsteilung“ genannt.

Mit dem Tod Ludwig des Kindes, des letzten karolingischen Herrschers, wurde jedoch erstmals ein König gewählt, da Ludwig ohne Nachkommen starb. Auf einer Versammlung der Franken, Schwaben, Sachsen und Bayern wurde Konrad I. zum König bestimmt. Er wurde also auf eine nicht näher bekannte Weise gewählt.

Konrad selbst bestimmte kurz vor seinem Tod Herzog Heinrich von Sachsen zu seinem Nachfolger und nicht seinen eigenen Bruder Eberhard.

Heinrich selbst wählte noch zu seinen Lebzeiten seinen Sohn Otto (der spätere Otto I.) zum Nachfolger. Auch wenn hier das Erbrecht für die Nachfolge eine Rolle spielte, musste Otto von den Mächtigen des Reiches, also anderen Herzögen auf einer Versammlung bestätigt werden.

Otto selbst sorgte ebenfalls selbst für seine Nachfolge. Bereits zu Lebzeiten ließ er seinen Sohn Otto (gemeint ist hier der spätere Otto II.) als König, also quasi als Mitregenten einsetzen. Zu dieser Zeit konnte es im Reich nämlich durchaus König und Kaiser geben, die nicht unbedingt ein und dieselbe Person sein mussten. Nach der Krönung eines Königs konnte dieser vom Papst zum Kaiser ernannt werden. Im mittelalterlichen Verständnis war der Posten des Königs dann wieder frei, sodass theoretisch ein neuer König eingesetzt werden konnte, jedoch nicht musste. Viele Herrscher nutzen diese Möglichkeit um ihre Söhne bereits zu ihren Lebzeiten zu Mitkönigen ernennen zu lassen. Nach dem Tod des eigentlichen Herrschers mussten sie dann nur noch "gewählt", also eigentlich in ihrem Amt bestätitgt werden.

Im Jahr 1002 starb Otto III. ohne einen Erben.  Schließlich musste ein Nachfolger aus den Reihen der Mächtigen des Reiches gefunden werden, also aus den Reihen der mächtigen Adeligen. Heinrich von Bayern,  der ein Enkel Ottos III. war, kämpfte mit Herrmann von Schwaben und Ekkehard von Meißen um das Amt. Die meisten Großen des Reiches waren gegen Heinrich und für Herrmann. Doch so leicht gab Heinrich nicht auf.  Noch auf dem Leichenzug Ottos (Otto III. starb in Italien und musste dann nach Aachen „überführt“ werden) versuchte  er die mitreisenden Adeligen zu überzeugen ihn zum König zu wählen und „raubte“ die Reichsinsignien- Symbole der Herrschaft. Letztendlich gelang es ihm sich durchzusetzen, auch dank der einflussreichen Familie seiner Frau Kunigunde. Dennoch wird deutlich, dass seine Position als Ottos Enkel und direkter Nachfahre ihn nicht automatisch zum König qualifizierten. Heinrichs offizielle Anerkennung erfolgte wahrscheinlich erst als er das Amt bereits ausübte, dennoch musste er eben auf dem Reichstag anerkannt werden. Heinrichs Nachfolge  musste im Jahr 1024 ebenfalls per Wahl entschieden werden, da er kinderlos starb. Sechs Wochen nach seinem Tod fand die Wahlveranstaltung in Kamba am Rhein statt. Leider sind auch hier kaum zuverlässige Quellen zum genauen Wahlverfahren bekannt. Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten kamen aus dem Geschlecht der Salier, einer mächtigen Adelsfamilie vom Mittelrhein, die dazu noch entfernt mit der Dynastie de Ottonen verwandt waren. Beide hießen außerdem Konrad. Der ältere der beiden wurde schließlich gewählt und ging als Konrad II. in die Geschichte ein.

Im Vergleich mit dem spätmittelalterlichen Wahlverfahren liegt das früh- und hochmittelalterliche also tatsächlich etwas im Dunkeln. Es wird jedoch deutlich, dass etwa ab dem 10. Jahrhundert der König gewählt werden konnte. Dies geschah aber meist nicht als freie Wahl, sondern häufig innerhalb der amtierenden Herrscherdynastie oder über einen bindenden Wahlvorschlag des Kaisers. Das Element der Dynastie, also der familiären Herkunft spielte also auch eine gewisse Rolle.

Der tatsächliche Wahlcharakter einer solchen Wahl war also tatsächlich überschaubar und erinnert doch ein wenig an die Wahl unseres Bundespräsidenten. Auch da steht der Gewinner vorher schon fest.

Bei den mittelalterlichen Königswahlen war die Bestechung der wahlberechtigten Fürsten keine Seltenheit. Da wir leider nur sehr wenige Informationen über die frühen Königswahlen haben, muss auch hier das Spätmittelalter als Beispiel herangezogen werden. Spätestens mit der Goldenen Bulle war Bestechung offiziell verboten. Dennoch wurde gegen diese Regel verstoßen. Selbst Karl IV., der die Goldene Bulle auf den Weg gebracht hatte, verstieß gegen sie, als er im Jahr 1374 einigen Fürsten eine große Summe Geld bezahlte, um die Wahl seines Sohnes Wenzels zu garantieren.

 

Text: Anna-Lisa Rosenthal

Kategorie: Und sonst?