Wenn eine Pfalz ein Fest feiert...

01.10.2014 Carolin Steimer

"Wenn Steine reden könnten...", wünschte sich der Ausgräber Wilhelm Winkelmann, kurz nachdem er die Pfalz Karls des Großen unter meterhohem Paderborner Schutt gefunden hatte. Ein halbes Jahrhundert nach seiner sensationellen Entdeckung lässt das gesamte Team des Museums in der Kaiserpfalz seinen Wunsch wahr werden - mit einem großen Museumsfest zum Jubiläum des Sensationsfundes. Was auf den den ersten Blick wie eine hübsche, familiäre Feier anmutet, fordert von jedem vollen Einsatz.

 

Münzen zeichnen in der Fundbearbeitung.

Das beginnt schon mit der Planung. Wie sollte das Programm für ein Fest aussehen, das sowohl neueste wissenschaftliche Ergebnisse vermittelt, die historisch interessierten Besucher begeistern kann und auch noch in Zeiten von Haushaltssperren eigentlich gar nichts kosten darf? Hier beginnt ein spannender Diskussionsprozess, der die Museumsleitung, die Volontäre, die Museumspädagogik und natürlich auch den Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen eine Weile in Atem hält. Ein Kompromiss muss her: Hochkarätige Fachleute berichten über den aktuellen Forschungsstand zur Entdeckung der Paderborner Kaiserpfalz und zu den übrigen Pfalzen Karls des Großen. Dazwischen ist ein buntes Programm angesagt, das Archäologie, Geschichte, vor allem aber Spaß und Freude vermittelt.

Prost: Schon im Mittelalter beliebte Getränke begeistern auch heute noch.

Fotos werden herausgesucht, Texte geschrieben. Ein Programmfolder wird gedruckt, damit alle Welt davon erfahren kann. Plakate rollen aus der Druckerpresse. Die Homepage wird gefüttert. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit lädt die örtlichen Medien zu einem Pressetermin ein und tippt fleißig Pressemitteilungen.

Derweil laufen die Drähte im Sekretariat heiß. Bäckereien mit dem besten Paderborner Kuchen werden recherchiert, ein Wagen für schmackhafte und auch im Mittelalter beliebte Getränke muss her. Für wirklich Hungrige muss ebenfalls die Möglichkeit zur Sättigung angeboten werden - mit Deftigem aus der Küche des Klosters Dahlheim. Schankgenehmigungen, Jugendschutzgesetz, Genehmigungen hier und dort: Unsere Sekretärin wird kurzerhand zur Heiligen erklärt.

Es darf gesungen werden - aber bitte stilecht mittelalterlich.

Damit ist aber noch lange nicht genug: Das feierlustige Volk will schließlich auch unterhalten werden. Also wieder an den Telefonhörer gehängt und nach mittelalterlichen Barden gesucht. Mit dem Trio NotaBene ist die perfekte Musik gefunden. Wer aber sorgt dafür, dass sich die Kinder bei diesem Museumsfest ganz und gar archäologisch ausleben können? Die Museumspädagogin wird aktiv, mobilisiert Helfer, die von den Münzen über die Keramik bis zur Funddokumentation alles an vielen verschiedenen Tischen im Blick haben. Die Festredner wollen gefragt und eingeladen werden. Einladungen müssen auch für die vielen Gäste gemacht, gedruckt und verschickt werden, die sich seit langem für das Museum auf den unterschiedlichsten Ebenen engagieren.

Spannend: Der Poetry Slam zum Abschluss und die Bewertungen.

Ein Fest braucht aber auch einen Höhepunkt. Warum nicht einfach mal das, was sonst stets hochgradig wissenschaftlich und ernst betrachtet wird, einmal aus der poetischen Perspektive sehen? Ein Poetry Slam über Karl den Großen und das Mittelalter: Die Volontärin gehört nicht nur zur Slam-Fangemeinde, sondern hat auch die zündende Idee und vor allem die Kontakte in die Szene. Die Besten der Besten, Deutsche Meister, Vizemeister: Sie alle lassen sich von der Idee für den ungewöhnlichen Schlusspunkt begeistern.

So sieht eine Pfalz aus, die sich in ein Festgelände verwandelt.

Ach ja, dann war da auch noch die Powerpoint-Präsentation, die für die Festredner vorbereitet werden muss. Und die Powerpoint-Präsentation, die zwischendurch läuft. Die Behältnisse für die freiwilligen Spenden anstelle des Museumseintritts, der Blumenschmuck für die Tische, der Aufbau der Kuchentheke, die Organisation von Papptellern für den Kuchen, von Gabeln, Löffeln, Milch für den Kaffee. A propos: Wer kocht eigentlich den Kaffee, wer schleppt den Kuchen, wer zapft das Bier, wer wirft den Beamer an, wer stellt die Kaltgetränke für die Redner bereit, wer organisiert die Preise für die Slam-Gewinner?

Runter mit den Klamotten, raus mit der Liebesbezeugung für das Museum!

Puuuhhhh!!!! Soweit die blanke Theorie. Die Praxis sieht ganz einfach aus: Alles klappt wie am Schnürchen! Die Besucher strömen herbei, probieren den Kuchen, lauschen den Rednern, versuchen sich als Archäologen in der Fundbearbeitung, singen mit den mittelalterlichen Barden, probieren sich durch die Kuchenbar, stillen den Durst mit einem Bierchen, applaudieren begeistert den Poetry Slamern.

Grund genug für Museumsleiter Martin Kroker, sich zu outen: Mit einem Ruck reißt er sich das Hemd vom Leib und offenbart das eigens für diesen Tag gedruckte T-Shirt mit dem Aufdruck "I love Kaiserpfalz". Das tun alle, die an diesem Tag alles gegeben haben und erst einpacken, als die sich die Nacht schon lange über den Dom und die Kaiserpfalz gesenkt hat.

Wenn Steine reden könnten...