Archäologie in Baden

18.06.2018 Carolin Steimer

Die Expothek: Digitale Tische vermitteln Informationen und Geschichten zu den Objekten. © Badisches Landesmuseum

„Museum der Zukunft“ – unter diesem Titel fand im Sommersemester 2017 ein deutschlandweit einmaliges Kooperationsprojekt zwischen der Universität Konstanz, der HTWG Konstanz und dem Badischen Landesmuseum statt. Studierende der Fachrichtungen Architektur und Kommunikationsdesign sowie Informatik und Informationswissenschaft erarbeiteten in interdisziplinären Teams ein Ausstellungskonzept für die Umgestaltung der Abteilung Ur- und Frühgeschichte.

Es war eine große Herausforderung, vor die das Badische Landesmuseum die Studierenden der Universität Konstanz und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz (HTWG) stellte: „Museumsbesucher zu Nutzern machen“. Das vom Badischen Landesmuseum entwickelte revolutionäre Konzept soll den Besucherinnen und Besuchern wie in einer Freihandbibliothek oder einem offenen Archiv den Zugriff auf alle Sammlungsobjekte des Museums ermöglichen. Die Nutzer können so selbst entscheiden, mit welchen Inhalten und Objekten sie sich eingehender auseinandersetzen möchten. Damit denkt das Badische Landesmuseum die Rolle des Museums neu: als Ort, an dem Wissen nicht nur aufbereitet präsentiert wird, sondern auch selbst erschlossen werden kann. Ein solches Konzept wirft komplexe Fragen auf, beispielsweise: Wie stellt man eine derart große Zahl an Exponaten aus? Wie macht man die Objekte unter der Berücksichtigung konservatorischer Aspekte frei zugänglich? Oder wie ermöglicht man Besucherinnen und Besuchern ohne geschichtliches Vorwissen die Arbeit mit wertvollen Originalen?

Um diese Aufgabe zu meistern, arbeiteten die Studierenden in interdisziplinären Teams, in welchen jeweils jede Fachrichtung vertreten war. Die Architekten prüften die räumlichen Voraussetzungen und entwarfen neuartige Raum- und Einrichtungskonzepte. Die Kommunikationsdesigner befassten sich mit der Gestaltung von Schriften und Grafiken für analoge und digitale Medien und kreierten ganzheitliche Sinneseindrücke. Die Informatiker entwickelten Interaktionskonzepte für neuartige Ein- und Ausgabegeräte. Feedback zu ihren Entwürfen erhielten die Studierenden dabei sowohl von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Badischen Landesmuseums als auch von den Dozenten Prof. Eberhard Schlag (Architektur und Design), Dr. Ulf Hailer (Geschichte) und Prof. Harald Reiterer (Informatik).

Die Ergebnisse wurden von den studentischen Teams schließlich am Badischen Landesmuseum präsentiert und von den Museumsmitarbeitern in unterschiedlichen Kategorien bewertet. Das auserkorene Gewinnerkonzept konnte insbesondere durch die innovative Verwendung digitaler Medien und mit einer beeindruckenden Raumgestaltung überzeugen.

Augmented Reality: Während die Nutzer auf ihrem Smartphone-Display die Objekte betrachten, werden ergänzende Informationen angezeigt. © Badisches Landesmuseum

Im dunklen, geradezu mystisch anmutenden ersten Raum der Ausstellung richtet sich der Fokus ganz auf ausgewählte Highlight-Objekte, die wichtige Aspekte der Ur- und Frühgeschichte in Baden veranschaulichen. Erläuternde Texte zu den scheinbar frei über einer großen Bodenkarte Badens schwebenden Exponaten erscheinen erst, wenn der Besucher näher herantritt. Ausgerüstet mit dem im ersten Raum vermittelten Wissen betritt der Besucher nun die hell erleuchtete Expothek, die einem Forschungslabor gleicht. Lange, fast raumhohe Vitrinen mit zahlreichen Exponaten und vier interaktive Tische mit Touch-Displays bestimmen den Raum. Die Besucher erhalten Tablets, die als „digitale Lupe” die Erforschung der Exponate ermöglichen. Die Funktionsweise ist denkbar einfach: Richtet der Besucher das Display auf ein bestimmtes Objekt, so erhält er dazu weitere Informationen und kann dieses in eine persönliche Favoritenliste aufnehmen. An den Tischen sind dann multimedial aufbereitete Geschichten zu den favorisierten Objekten zu erfahren.

Vorderansicht des sogenannten Heidelberger Kopfes: Kopf einer keltischen Großplastik aus dem 5./4. Jh. v. Chr. © Badisches Landesmuseum

Die Besucherinnen und Besucher können sich mit anderen Nutzern austauschen und sich die realen Objekte sogar vom Museumspersonal zur genaueren Betrachtung an den Tisch bringen lassen. Die Aura der Objekte ist im wahrsten Sinne des Wortes hautnah zu spüren und weckt den Wunsch, die ursprüngliche Nutzung der Objekte erleben zu können. Dazu begeben sich die Besucherinnen und Besucher im letzten Raum der Ausstellung auf eine Zeitreise: Was sie hier jedoch genau erwartet, bleibt vorerst – bis zur Eröffnung im Jahr 2019 – ein Geheimnis.

Prof. Harald Reiterer, Human Computer Interaction (Universität Konstanz)
Prof. Eberhard Schlag, Architektur und Design (HTWG Konstanz)

Das Gewinnerkonzept wurde entwickelt von:
Lukas Brachmann, Lukas Halter, Karthika Jeyakumar, Benjamin Weidmann (Architektur), Katharina Herzog (Kommunikationsdesign), Jonathan Wieland (Computer and Information Science)


Über die neue Abteilung
Die Archäologie in Baden führt die Besucherinnen und Besucher zu den Anfängen der menschlichen Kulturgeschichte in unserem Raum. Die Sammlungsbestände reichen von Gerätschaften des Neandertalers aus der Zeit um 100.000 v. Chr. bis hin zu fränkischen Grabfunden aus dem 7. Jh. n. Chr.: von einem altsteinzeitlichen Faustkeil über jungsteinzeitliche Tongefäße, Schmuck aus der Urnenfelderzeit, Beispielen aus dem Kulturschaffen der Hallstatt- und der Latènezeit bis hin zu germanischen Objekten.